Texte von Stephan Schoenholtz (her) und Sarah King (hin)

was bisher geschah 

serie enthüllen 18

Gespräch im Winter

Anfänge gibt es, so viele wir mögen. Das möchte ich jedenfalls glauben. Über die Enden können wir, fürchte ich, weniger frei verfügen. Dein Text jedoch hätte nicht so lange ohne Antwort bleiben müssen, bis sich die Pause nicht mehr wie eine Pause anfühlte, sondern wie eine Zeit danach, nachdem das Schreiben vorbei ist. Ich kann die Fäden nicht mehr so aufnehmen, wie ich es gerne würde. Ich muss sie neu knüpfen. Einen Anfang machen, erneut.

Seit wir den Hund nachhause gefahren haben, ist viel zu Ende gegangen. Viel zu viel. Wir sind nicht mehr vollzählig und werden es nicht mehr sein, auch im Frühjahr nicht, wenn sich die Lücken zwischen den Armen der Bäume schliessen. Wenn in zerstörten Städten Wasserleitungen repariert und Krankenhäuser wieder aufgebaut werden. Wenn ein Präsident sein Amt antritt, dem Worte nichts bedeuten. Wenn wir weiter reden.

Wir reden schon jetzt, diesmal im Sitzen statt im Gehen. Während die Wintersonne vorsichtig ins Zimmer scheint, reden wir wieder über Väter und Mütter, über das Abschiednehmen von ihnen, über hilfloses Lachen und ungehemmtes Weinen. Über absurde Standardprozeduren, die auf den Tod eines Menschen folgen. Darüber, wie vergänglich wir sind.

Und obwohl uns kein Regentropfen aufweicht, räkeln sich die Gedanken ein wenig, werden die Gesichtszüge weicher, unsere Stimmen ein wenig voller. Natürlich können wir nicht mehr so einfach sagen: das ist nur ein Fels, ein harmloser, am Wegrand. Die Zweifel haben uns längst aufgespürt, sich uns in den Nacken gesetzt. Wir reden so lange auf sie ein, bis sie sich wieder legen, auf das Parkett zu unseren Füssen strecken. Wer weiss, was wir einander ohne sie sagen würden?

Stephan Schoenholtz, 18. Dezember 2016
aktuelles hin und her

serie enthüllen 19

Seltene Tierchen

Ein neuer Traum-Beruf: Tierchensuchpilot. Man fliegt in einem Propellerflugzeug über das Land und hält Ausschau nach seltenen Tierchen. Da man ohne Verdeck fliegt, trägt man eine braune Fliegermütze, eine Brille mit runden Gläsern und einen vom Winde verwehten Schal. Den Kopf streckt man abwechslungsweise mal links, mal rechts zum Flugzeug hinaus, damit man die Tierchen gut erspähen, beschreiben und – im Falle von Herdentierchen - auch zählen kann. Sind es ganz seltene Tierchen, also solche, die noch nie gesehen wurden, dann gibt man ihnen einen Namen. Das ist ein Anfang, der auf ein Ende folgt, das Lücken schliesst statt bildet. Das sagen wir einander in Abwesenheit der Zweifel. Dann summen wir vor uns hin und mitunter einander zu.

sarah king, 2. April 2017